Rot soll man nicht tragen auf Komodo. Das würde die berühmten Warane reizen. Und was tragen einige der Einheimischen auf ihrer dürr bewachsenen Insel mit Kegel- und Faltenbergen sowie den weltberühmten urzeitlichen Drachen? Sie tragen rot …

Alle sagen auf Komodo Drachen. Richtig wäre Waran oder Riesenechse, lateinisch Varanus komodoensis. Doch Echsen gibt’s fast überall in der tropischen Welt. Und “Drachen – das klingt doch viel aufregender”.

Monströs und schuppig: Komodo Warane haben Angst vor der GabelDer Nationalparksguide lacht. “Das mit dem Rot gilt nur für diejenigen, die außerhalb vom Dorf unterwegs sind.”

Es ist ja nicht so, dass Marketing eine gute Flugstunde östlich von Bali ein Fremdwort ist. Im Gegenteil: “Fast alle hier leben von den Drachen. Ohne sie würde kein Hahn nach uns krähen!” Auch nicht die vierköpfige Gruppe, die Gonsa gerade in den Busch von Komodo führt.

Drachen in freier Wildbahn

Komodo und vier Schwesterinseln sind die einzigen Orte auf der Welt, wo die größten Echsen der Erde noch in freier Wildbahn leben, streng geschützt natürlich. Jede Exkursion beginnt in Labuan Bajo, einem Städtchen auf der Insel Flores, der Nachbarinsel zum Nationalpark.

Monströs und schuppig: Komodo Warane haben Angst vor der Gabel

Die Einheimischen dort kennen Warane nur vom Hörensagen.

Es würde sie einen halben bis ganzen Monatslohn kosten, denn mindestens 200 Euro muss man pro Kopf investieren, um einen der Drachen zu sehen: Bootsfahrt, Nationalparkseintritt, geführte Tour. Monströs und schuppig: Komodo Warane haben Angst vor der Gabel

Nach der coronabedingten Schließung soll es noch teurer werden.

Individualtouren sind verboten und wären wohl auch eher selbstmörderisch.

Die Drachen fressen bei Hunger alles, was ihnen so in den Weg kommt:

Büffel, Schweine, Wild, sogar ihre eigenen Jungen. 50 Kilogramm Fleisch brauchen die Kerle alle zwei Tage.

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Komodo Guide Gonsa mit seinem Kukun

Gonsa führt die Gruppe im Entenmarsch an. Hamad lernt von ihm, sichert den Tross nach hinten ab. Beide haben keine Machete oder Betäubungspistole, sondern einen mannshohen massiven Stock aus Tamarindenholz, der sich am Ende zu einem V gabelt.

“Und damit wollt ihr einen Drachen in Schach halten?”, fragt der Amerikaner, der als Schutz offensichtlich schwerere Kaliber erwartet hatte.

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Hamad mit Kukun sichert das Ende unserer Gruppe.

“Ja! Unseren Kukun kennen die Drachen. Sie haben Respekt davor, besonders wenn wir die Gabel vor Ihnen in den Boden rammen.” Rumms! Gonsa stößt das V des Kukun in die staubige Erde.

“Wenn ich das so mache, verharrt jeder Drache. Er faucht zwar, greift aber nicht an. Eine Pistole müsste ich benutzen, weil der Drache eine Pistole nicht kennt. Und mit einem Messer – und sei es noch so groß – hätte ich keine Chance.”

Jeder, der in den Busch geht, führt also einen “Kukun” mit sich – seit Generationen. “Es gibt immer wieder mal Konflikte, aber in der Regel gehen sich Drache und Mensch aus dem Weg. Einen toten Einheimischen gab es auf der Insel in den letzten 40 Jahren nicht. So lange lebe ich. Verletzungen? Ja. Aber nie mehr …” Der letzte Todesfall wird in der Statistik tatsächlich 1974 geführt: Ein Schweizer, der sich absonderte.

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Die Gruppe ist seit gut 30 Minuten auf der Pirsch. Von den auf Komodo lebenden rund 1.100 Drachen hat sich noch keiner blicken lassen. Auf den anderen vier Inseln leben nochmal 2.100 Exemplare. Drei Inseln dürfen nicht betreten werden, neben Komodo darf man lediglich noch Rinca besuchen.

“Wir werden mindestens einen sehen”, verspricht Gonsa. Die Drachen seien schließlich tagesaktiv. Nachts werde in Höhlen geschlafen.

“Sogar alle Kreuzfahrer sehen mindestens vier Drachen.” Gonsa schmunzelt. “Bei einem großen Kreuzfahrtschiff haben wir 2.000 Gäste an einem Tag. Wenn die alle in 25-Personen-Gruppen durch den Busch trampeln, zeigt sich keiner der Drachen. Also treiben wir mit unseren Kukun vier, fünf, manchmal sechs Drachen zu einem großen runden Platz und kesseln sie dort ein, bis die Kreuzfahrer kommen.”

Im Kreisinneren wissen die Drachen dann nicht, was mit ihnen gerade geschieht, denn ungefähr ein Dutzend Insulaner haben sie umzingelt, schauen sie an und haben ihren Kukun den Tieren zugewandt in den Boden gerammt. Die Kreuzfahrer – sie stellen die Mehrzahl der jährlich 60.000 Komodo-Besucher – dürfen fotografieren und eine Runde drehen ­– wie beim Defieliermarsch …

2 Jahre Ruhe für die Drachen

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Ein Beutetier!

Da die Anzahl der Besucher stetig gewachsen ist in den letzten Jahren, wollte man 2020 einen Besucherstopp für ein Jahr erlassen, um den Waranen Zeit zur Erholung zu geben, aber auch, um neue Bäume anzupflanzen.

Am 1. Januar war der Erlass noch nicht fertig und die Entscheidung wurde auf den 1. Juli vertagt. Dann war sie allerdings nicht mehr nötig: Wegen Corona kamen keine Besucher mehr.

Und bis jetzt lässt Indonesien keine Ausländer ins Land (von Bali abgesehen). Es scheint, dass aus einem geplanten Jahr der Schließung Corona bedingt nun sogar zwei Jahre werden.

Bis zu drei Meter lang, um die 100 Kilogramm schwer

Gonsa hält inne: “Schaut dort hinten: Das ist ein Wasserbüffel, die Lieblingsspeise der Drachen! Kann gut sein, dass wir gleich einen sehen …” Der Büffel ist ein mächtiger Kerl.

Gonsa flüstert: “Drachen können mit dem Wind sechs Kilometer weit riechen. Und wenn sie einen Büffel ausfindig gemacht haben, dann müssen sie den Büffel nur verletzen. Den Rest machen die Bakterien der Drachen. In fünf, spätestens sechs Tagen ist der Büffel tot. Dann ist angerichtet …”

Verwunderte Blicke in unserer Gruppe. Und plötzlich rammt hinter uns Hamad seinen Kukun in den Boden.

Hat sich doch hinter der Gruppe ein Drachen angeschlichen. Doch Hamad und seine Gabel lässt ihn inne halten.

Monströs und schuppig: Komodo Warane haben Angst vor der GabelAber was passiert, wenn die Echse doch angreift: bis zu drei Meter lang, um die hundert Kilogramm schwer? Monströs, schuppig und mit gespaltener Zunge, irgendwie halb Krokodil, halb Rest aus Dinosaurierzeiten? Wir wissen es nicht.

Der Drache faucht missmutig und verschwindet mit schwankendem Gang schließlich wirklich im Busch …

Weitere Infos zu Komodo

Wenn die Grenze wieder offen ist: Auf Komodo gibt es keine legale Unterkunft, nur geduldete und nicht zu empfehlende Privatunterkünfte. Labuan Bajo bietet eine große Auswahl; am besten kommt man mit einem Package eines Veranstalters weg, der die teuren Flüge ab Bali und auch die interkontinentalen Verbindungen besser einkaufen oder auch wunderschöne Segeljachtcruises anbieten kann; etwa bei Enchanting Travels (www.enchantingtravels.de).
Weitere Informationen: www.tourismus-indonesien.de

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Unsere Natur und Tierwelt ist einmalig und sollte geschützt werden. Mehr dazu gibts auch hier.

Text und Fotos: © Jochen Müssig

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