Im andalusischen Hinterland verstecken sich drei Phänomene, die zusammen zum Weltkulturerbe erklärt wurden, aber noch weitgehend unbeachtet sind. Die Auszeichnung zum Weltkulturerbe ging neben El Torcal gleichzeitig und zusammen an die Dolmen von Antequera und La Peña de los Enamorados. Unser Reisebericht…
El Torcal
Als ob ein Riese sein Spielzimmer nicht aufgeräumt hat: So sieht El Torcal aus, eine Berglandschaft in Andalusien, wie es sie kein zweites Mal in Spanien gibt: Oder ist der Riese mit dem Aufräumen nur nicht fertig geworden?
Denn die Felsplatten sind feinsäuberlich gestapelt, als seien sie nur Pfannkuchen. Die Steinwürfel jedoch, die hat er offensichtlich einfach verstreut am Boden liegengelassen. So einen Riesen hat es natürlich nie gegeben und nicht er, sondern die Kollision der afrikanischen und eurasischen Erdplatten ist verantwortlich für die bizarre Felsenlandschaft.
El Torcal, nur 50 Kilometer nördlich von Málaga im Landesinneren gelegen, besteht aus hundert Millionen Jahre altem Kalkstein. Das Plateau wurde durch Bewegungen der Erdplatten vor etwa 20 Millionen Jahren deformiert und gebrochen: Es kam zur Anhebung, Faltung und zu bizarren Formationen.
Ein Vorgang, der übrigens bis heute, wenn auch nur sehr schleichend, andauert. Und natürlich trägt auch tagtäglich die Erosion ihren Teil bei.
Was man nicht sieht: In dem Kalksteinplateau in etwa tausend bis 1400 Metern Höhe verbergen sich auf 20 Quadratkilometern um die tausend Karsthöhlen – die meisten in Europa.
„Andalusien zählt 18 Millionen Besucher jedes Jahr – außer in Pandemie-Zeiten –, doch den Weg nach El Torcal finden gerade mal 100.000 Wanderer“, wundert sich Naturpark-Rangerin Gloria. „Dabei sind wir doch seit 2016 Welterbe der Unesco!“
Wer nach Andalusien fährt, bleibt meistens an der Costa del Sol hängen oder besucht die großen Städten Granada, Sevilla, Córdoba und natürlich auch das kleine Ronda.
Dabei trifft man auf vier Weltkulturerbestätten, doch ein fünftes andalusisches Welterbe in Antequera (von insgesamt sieben in Andalusien und 49 in ganz Spanien) bleibt in den meisten Fällen außen vor. Zu unbekannt. Ja, vielleicht. Zu unspektakulär? Auf keinen Fall!
La Peña de los Enamorados
Bleiben wir also zunächst noch bei den Riesen. Denn es gibt noch einen: den Antequera-Indianer, so nennen ihn die Einheimischen, der am Stadtrand liegt, als sei er aufgebahrt und auf dem Weg in die ewigen Jagdgründe. Der wunderschön geformte Felsen entspricht der Silhouette eines liegenden Kopfes mit kantiger Nase.
Sein offizieller Name: La Peña de los Enamorados, der Fels der Liebenden, ebenfalls aus Kalkstein, dessen Name auf eine Liebesgeschichte in Kriegszeiten hinweist, in der sich eine muslimische Königstochter in einen gefangenen christlichen Kommandanten verliebte. Sie flüchteten, erreichten den Gipfel und warfen sich gemeinsam in den Tod, da sie keinen Ausweg mehr sahen.
Der tragische Tod führte nach so vielen Kämpfen zwischen Muslims und Christen zum Frieden. Auf der Spitze des Felsens erinnert eine Steinstatue, die eine junge Frau und einen Mann zeigt, die sich umarmen und zum Abgrund neigen, an die Legende.
Dolmen de Menga in Antequera
„Und wo ist jetzt die Dolmenstätte?“, fragt ein Besucher etwas verwirrt. Dabei steht er in genau diesem Moment auf einem: Der Dolmen de Menga von Antequera ist zugewachsen und verbirgt sich unter dem Gras einer Kuppe.
Die Eingänge sind jedoch freigelegt und der Eintritt in das Hügelgrab ist möglich. Es ist aus großen Steinblöcken gebaut und besteht aus stehenden Tragsteinen, auf denen mehrere Deckplatten liegen. Alle Steinblöcke mussten passgenau sein, denn Mörtel wurde keiner verwendet.
Antequera ist sozusagen Stonehenge unter der Erde. Der Begriff Dolmen stammt ursprünglich ja aus dem Keltischen und bedeutet Steintisch.
„Die drei prähistorischen Steingräber Dolmen de Menga, Dolmen de Viera und etwa zwei Kilometer weiter, der Dolmen Tholos de el Romeral, bilden ein rund 5000 Jahre altes Ensemble, das zu einem der herausragendsten Beispiele europäischer Vorgeschichte gehört“, erklärt Führer José.
„Und die drei Dolmenstätten sind nicht zufällig zusammen mit unserem Indianer-Kopf und El Torcal zum Welterbe geworden: Die beiden Naturdenkmäler bilden nicht nur optische Referenzpunkte zu den Kulturstätten, auch die Lage und Ausrichtung der Dolmen zeigen die enge Verbindung von Kultur und Natur“.
Der Dolmen de Menga ist der längste in Europa. Der Zugang zur Grabkammer ist knapp 30 Meter lang. Allein die größte Deckenplatte schätzt man auf 180 Tonnen, was 140 Tonnen mehr wären, als beim gröβten Steinquader von Stonehenge.
Die Monolithen sollen aus bis zu drei Kilometern Entfernung herangeschafft worden sein. Insgesamt dürften alle Tragsteine und Deckplatten ein Gesamtgewicht von 1600 Tonnen haben, das entspricht ungefähr dem Gewicht von 270 ausgewachsenen afrikanischen Elefanten.
Vom Eingang de Menga blickt man direkt auf den Felsen der Liebenden, während der Eingang des Dolmen Tholos de El Romeral Richtung Berg Comorroro de las Siete Mesas zeigt, der zu El Torcal gehört und wo besonders viele Steinplatten aufeinander liegen.
Beide Ausrichtungen sind äußerst ungewöhnlich, da die Eingänge sonst stets zum Sonnenaufgangspunkt ausgerichtet wurden. Wissenschaftler vermuten zwischen Dolmen de Menga und dem Indianer-Kopf unter der Stadt Antequera mindestens noch zwei weitere Dolmen.
Man vermutet auch, dass Steinplatten als Altäre dienten, nimmt aber an, dass es zu keinen Menschenopfern gekommen ist.
Außerdem geht die Wissenschaft davon aus, dass die Dolmen nicht nur Kirche und Tempel waren, sondern für alle Arten von Zeremonien benutzt wurden und für jederman zugänglich waren.
Im Gegensatz zum Spielplatz des Riesen von El Torcal sind die Dolmen allerdings feinsäuberlich aufgeräumt …
Das andalusische Hoteldorf
Schneeweiß liegt “La Bobadilla” im Hinterland von Andalusien, versteckt in Olivenhainen und Wäldern, einsam auf 600 Metern, als wolle es gar nicht gefunden werden.
Was schade wäre: Denn dieses “Royal Hideaway” ist wie ein traditionell weiß gestrichenes, verschachteltes andalusisches Dorf gebaut.
Um den Dorfplatz und einer (nicht geweihten) Kirche gruppieren sich die knapp 70, mindestens 30 Quadratmeter großen Zimmer im andalusischen Landhausstil, alle mit Himmelbetten, Holz- oder Terrakottaböden, Balkon oder Terrasse. Die Lobby erinnert an die Säulenhalle der Moschee von Córdoba.
Und in der Kirche wird nicht gebetet, sondern geschlemmt: Vor der Orgel richten die Köche das fine Dining an – warmes Essen statt warme Worte!
Auch die ersten Gänge werden dort als kleine Kunstwerke und Akte wie im Theater serviert, ehe es für die Hauptgerichte und das Dessert über den Dorfplatz ins ebenso rustikal wie romantisch eingerichtete Hauptrestaurant “La Finca” geht.
Dort warten die Fischsuppe Gazpachuelo, Kabeljau mit Orange und Avocado oder auch reichlich Kaviar aus der nahegelegenen Bio-Stör-Zucht vom Riofrío.
Das Restaurant wurde für seine moderne spanische Küche vom “Michelin” mit einem Stern ausgezeichnet. Mittags sollte man auf der Terrasse unbedingt die Paella probieren. Bei einem Kochkurs kann man sie auch selbst anrichten und mehr über das hauseigene Rezept erfahren.
Das “Leading Hotel of the World” La Bobadilla bietet einen riesigen Außen- und kleinen Innen-Pool mit Gegenstromanlage, eine finnische Sauna und das Dampfbad.
Der Multifunktions-Sportplatz dient für Tennis, Paddel, Badminton oder Basketball. Kostenfreie Fahrräder stehen zur Verfügung und auf einem anspruchsvollen Off-Road-Parcours kann man mit hoteleigenen Buggies sein fahrerisches Können unter Beweis stellen – bei Steigungen und Gefällen bis 30 Prozent.
Wir haben unseren Aufenthalt mehr als genossen … (Doppelzimmer-Preis ab 300 €, inklusive Frühstück) und werden, da es so viel zu entdecken gibt, sicherlich wieder nach Andalusien kommen.
Weitere Infos:
Málaga wird von Deutschland ab Frankfurt (LH, Condor), München (LH), Berlin (EW, Easyjet, Ryanair), Düsseldorf (EW) und Köln (Ryanair) nonstopp ab ca. 200 € angeflogen.
Ab Málaga sind es mit dem Mietwagen ca. 50-70 km bis „La Bobadilla“ sowie El Torcal und Antequera. Bei sunny cars kostet ein Kleinwagen für eine Woche mit Rundum-Sorglos-Paket ab rund 200 €.
Weitere Informationen: www.andalusien.com
Text: Jochen Müssig
Fotos: ©Jochen Müssig / ©Barceló Hotel Group