Wäre der Liebling der Kinder 1.500 Jahre später geboren, wäre er ein Türke. Auf Spurensuche nach dem Nikolaus an der türkischen Mittelmeerküste.

Woher kommt der Nikolaus?Mami, wie kommt das Salz ins Meer?
Papi, warum ist die Banane krumm?
Kinder können manchmal Fragen stellen, die sich gar nicht so einfach beantworten lassen. Und spätestens am 6. Dezember kommt jedes Jahr noch eine dieser gefürchteten Kinderfragen dazu: die nach dem Nikolaus. Woher kommt der Nikolaus?

Fakt ist: Onkel Michael spielt ihn im Wohnzimmer immer nur aushilfsweise.
Und: Der Nikolaus hat wirklich gelebt.

Wahrscheinlich wurde er um 560 geboren, im heutigen Patara an der türkischen Ägäisküste.

Woher kommt der Nikolaus?
Nikolausstatue in Patara / Türkei

In der eher schmucklosen Stadt gibt es aber nur wenige Hinweise auf die Geburtsstätte des populärsten Heiligen des Christentums:

Nikolaus-Statue, Nikolaus-Denkmäler sowie die Nikolaus-Kirche, die bescheiden in einem Zypressenhain liegt und die Grabstätte des Heiligen beherbergt.

Allerdings lässt sich der Sarkophag nicht mehr identifizieren und die Gebeine wurden von Reliquienräubern aus dem italienischen Bari im Jahr 1087 entführt. Dort werden sie bis heute in der Basilika San Nicola verehrt.

Nikolaus war ein Bischof

Dafür ist man im rund 100 Kilometer entfernten Kale mächtig stolz auf den Schutzpatron der Kinder und Jungfrauen. Dort wirkte der Nikolaus als Bischof. Und dort wurde auch die Legende mit den drei Strümpfen geboren.

Diese besagt, dass der Nikolaus drei schönen Töchtern einer armen Familie half, die kein Mann heiraten wollte, weil die entsprechende Mitgift fehlte.

Inkognito nahm der wohlhabende Nikolaus drei Säckchen Gold und warf sie durch den Kamin in das Haus der drei Jungfrauen. Diese hatten am Vorabend ihre Strümpfe gewaschen und hängten sie zum Trocknen in den Kamin.

Am nächsten Morgen war die Freude groß: In den Strümpfen fand sich das Gold – die beste Mitgift. Und bald darauf waren auch die passenden Ehemänner gefunden.

Der Ort des Geschehens um die drei Mädchen mit ihren drei paar Strümpfen ist von drei Seiten mit Bergen umgeben und hat drei Namen: Kale, in der Verkehrssprache am geläufigsten, Demre, so wird auch der Fluss genannt, der dort ins Meer mündet, und Myra, der antike Name.

Woher kommt der Nikolaus?
Antikes Theater in Myra / Türkei

Myra war nicht nur Bischofssitz des Nikolaus, sondern auch eine der bedeutendsten Städte des lykischen Bundes. Von der einstigen Metropole blieben das immer noch beeindruckende Theater in seiner römischen Form und die Felsengräber am Hügelfuß erhalten.

Woher kommt der Nikolaus?
Antike Höhlengräber in Myra / Türkei

Frühmorgens und spätabends haben die Ruinenstätten ihre größte Anziehungskraft.

Was heißt Ruinen? Das Theater von Myra ist so gut erhalten, dass man die Phantasie nicht besonders strapazieren muss, um sich vorzustellen, wie die antiken Schauspieler das ewige Spiel von Liebe, Macht und Tod zelebrierten. Da lassen sich selbst Archäologie-Muffel ohne Probleme begeistern.

Ohne roten Wintermantel

1994 gründete der Moslem Muammer Karabulut in Kale die Nikolaus-Gesellschaft. Sein Motto: “Nikolaus steht nicht nur für Gerechtigkeit und Friede, für Wahres, Schönes und Gutes, sondern auch für Völkerverständigung.”

Die Gesellschaft organisiert deshalb jedes Jahr am 6. Dezember das Nikolaus-Fest und hofft, eines Tages die weltweit größte Nikolaus-Bibliothek zusammengetragen zu haben, die dann Theologen, Historikern und Archäologen aus aller Welt zur Forschung dienen soll.

Schließlich lassen sich bis heute nicht einmal die genauen Lebensdaten des Bischofs rekonstruieren. Sicher dürfte jedoch sein, dass er keinen dicken roten Wintermantel getragen hat, sondern einen einfachen, leichten Überwurf, der dem mediterranen Klima entgegenkam.

Woher kommt der Nikolaus?Stock und Bart – so ist sich die Forschung über das Erscheinungsbild einig – dürften jedoch mit dem heutigen, westlich geprägten Bild des Nikolaus übereinstimmen.

Mythen und Erzählungen gibt es viele. Doch die Geschichte mit den Strümpfen ging um die Welt, und da die Handlung am 6. Dezember gewesen sein soll, entwickelte sich der Brauch in vielen Ländern der Erde:

Kinder hängen ihre Strümpfe am Vorabend auf und hoffen, sie am 6. reichlich gefüllt wiederzufinden, so Noel Baba, Nikolaus, Vater Weihnacht, will …

Text: Jochen Müssig
Fotos: Jochen Müssig, Archiv GuR

Vorheriger ArtikelZimtmousse auf Ananas-Carpaccio
Nächster ArtikelAlexander Dressel: Lamm mit Bärlauchgnocchi und Pilzen