Die trotz allem unzerstörbare Schönheit Venedigs wirkt auf mich wie Adrenalin. Und so will ich heute wieder aus meiner Lieblingsstadt berichten. Wenn ich durch die Gassen und über die Brücken laufe, überlege ich oft: Venedig – wie es wohl früher hier aussah? Ich träume mich in einer Stadt wie Venedig selbst hinter bröckelnde Fassaden, die hier nie so scheußlich aussehen wie anderswo.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Der Wohlstand hier wurde nicht durch Kriege, sondern durch kluges Handeln der Kaufleute geschaffen. Die Patrizierhäuser waren nicht nur Wohnräume, sondern auch Warenlager und Büro.

Pracht und Wohlstand am Canale Grande

Sie öffnen sich in ihrer ganzen Pracht zur Wasserseite, dorthin, wo die Besucher ankamen und die Waren geliefert wurden.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Die verwitterten Palazzi, ihre zitternde Spiegelung in den Kanälen, der Marmor, die Kuppeln der prunkvollen Kirchen, die schimmernden Farben, das rauchige Licht lassen für mitgeschleppte Sorgen einfach keinen Platz mehr. Es ist wie in einem anderen Land, in einer anderen Zeit.

In der Ca’Rezzonico, einem Museum des 18. Jahrhunderts, verraten kunstvolle Möbel und Bilder, Ebenholzmohren und sinnliche Genien auf den Plafonds das Talent der Venezianer zum Genießen.

Auch der Gold- und Pastellschimmer des Cafés Florian oder der Taverna La Fenice, das feudale Ambiente des Palazzo Mocenigo, lassen die Heiterkeit einer Zeit erahnen.

Um heute als Gast in einem Palazzo zu wohnen, muss man kein Millionär sein. Auch erschwingliche Hotels, nicht nur luxuriöse wie das Gritti oder Danieli, sind in ehemaligen Patrizierhäusern untergebracht.

Allerdings haben inzwischen nur noch wenige Venezianer genug Geld, um sich einen eigenen Palazzo als Privatdomizil leisten zu können. Die Instandsetzung von feuchten Mauem und faulenden Pfählen verschlingt Unsummen. Wenn Spekulanten, leider meist aus dem Ausland oder große Firmen, solche Palazzi kaufen, gehen die früheren Bewohner aufs Festland.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Zwei Palazzi mit seltsamen Geschichten gefallen mir besonders gut. Im Palazzo Fortuny schuf der Maler Mariano Fortuny kostbare orientalisch angehauchte Stoffe und Gewänder, von denen sich heute auch ausgeflippte junge Modeschöpfer inspirieren lassen. Ihr letztes Geheimnis geben sie allerdings nicht preis. Fortunys Farben verschwanden nach seinem Tod gurgelnd im Wasser der Kanäle.

Im Palazzo Venier sammelte die exzentrische Millionärin Peggy Guggenheim moderne Kunst. Auf ihrer Terrasse zum Canal Grande steht die Plastik eines freudig erregten nackten Reiters. Das genierte die sonst recht ungenierte Peggy, wenn eine Gruppe Nonnen vorbeifuhr. „Bei solchen Anlässen”, schrieb sie in ihren Memoiren, „schraubte ich meinem Reiter den Penis ab und verstaute ihn in meiner Schublade.” Venezianische Lebenslust…

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Der 1597 eingeweihte „Rialto” war die erste und lange Zeit die einzige steinerne Brücke, die den Canal Grande überquert. Die Venezianer brauchten offensichtlich lange, die Stadtteile links und rechts des großen Kanal durch feste Konstruktionen zu verbinden.

Auf Schlick und Pfählen gebaut

Seit der Gründung Venedigs durch vor Barbaren flüchtende Küstenbewohner im 6. Jahrhundert ging fast 700 Jahre ins Lagunenland, bevor eine erste kurzlebige Holzkonstruktion im 13. Jahrhundert den Bogen über den Canal Grande schlug. Bis dahin mussten die Einwohner auf Fährgondeln zurückgreifen.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Venedig ist übrigens nicht auf dem Wasser gebaut, wie es hartnäckige Gerüchte glauben lassen.

Die Venezianer haben ihre prunkvollen Palazzi vielmehr auf schlickigen Inseln errichtet.

Der sumpfige Untergrund wurde mittels hinein gerammten Pfählen verstärkt.

Allein unter dem Rialto suchen 10.000 Holzpfähle den nötigen Halt auf tieferen Tonschichten, unter dem Campanile auf dem Markusplatz sollen es sogar 100.000 sein.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?
Die antiken Prunkschiffe können nur bei der “Regatta storica” bestaunt werden.

Das schönste “Wohnzimmer” der Welt

Der Markusplatz stellte schon immer das Zentrum Venedigs dar. Dieser weitläufige Platz wurde von vielen Dichtern gepriesen. Napoleon nannte ihn den schönsten Salon der Welt. Ich glaube, kein Mensch kann sich dieser einmaligen Atmosphäre entziehen.

Touristenfalle! Diese Sehenswürdigkeiten sind nur mit Vorsicht zu genießen, Venedig, ItalienVor den Cafés laden Tische ein, Platz zu nehmen und zu geniessen. Angemerkt sei, das dies natürlich seinen Preis hat. Denn wenn die „Musica“ spielt, dann kostet das natürlich Musica-Aufschlag. Ich genieße meinen Sprizz oder Café an der Bar des Lavena, plaudere mit den Baristas und genieße Musik und venezianisches Treiben für ein paar Euro.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Das Schauspiel des Platzes ist immer wieder faszinierend. Da versuchen die Teilnehmer von Reisegruppen verzweifelt, den vom Führer als Erkennungsmerkmal in die Höhe gereckten bunten Schirm nicht aus den Augen zu verlieren.

Das schönste Foto des Markusdoms oder des Campanile wird auch schon mal auf dem Boden liegend versucht.

Und Kinder versuchen ruhig dazustehen, um das berühmte Taubenfoto von Papa nicht zu gefährden.

Die Taube gehört ebenso zum Piazza San Marco wie der stolze Markuslöwe. Auch wenn jener Flügelträger schon seit tausend Jahren als offizielles Wahrzeichen über der Stadt thront, die Vögel als Symbol des Markusplatzes sind denke ich fast noch berühmter.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Rund um den Markusplatz gruppieren sich die wichtigsten Zeugnisse der reichen Geschichte Venedigs.

Neben Markusdom und Campanile, Bronzelöwe und Pferdegespann steht hier auch der Palazzo Ducale. Von diesem Palast aus lenkten die Dogen ab dem 9. Jh. nicht nur die Geschicke der Lagunenstadt sondern auch eines großen Teils der Alten Welt.

Venedig ist trotz Diesen Weltmachtrang konnte Venedig dank seiner strategischen Position auf den Orientrouten und des kaufmännischen Geschicks seiner Einwohner bis ins 15. Jahrhundert halten.

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus sowie neuer Indienrouten durch Gama begann die adriatische „Königin der Meere” ihren Weltmachtrang langsam, aber sicher zu verlieren.

Der Dogenpalast wurde zunehmend Schauplatz politischer Intrigen, wobei sich die Seufzerbrücke als direkte Verbindung zum Kerker hinterm Dogenpalast äußerst praktisch erwies und vom Jammern der jeweiligen Verlierer widerhallte.

Feiern solange es geht …

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Die „Serenissima” glitt zunehmend in die Dekadenz, und die Venezianer suchten ihr Glück eher im monatelangen Karnevalstreiben denn in der zerbröselnden Hegemonie.

Die Stiefel der Truppen Napoleons auf dem Markusplatz im Jahre 1797 zertrampelten die Freiheit Venedigs dann endgültig.

Auch der Karneval war damit übrigens vorbei: Erst 1980 hat das Verkehrsamt die geheimnisvolle Maskerade als Touristenmagneten wieder zum Leben erweckt!

Venedig - wie es wohl früher hier aussah?Lesen Sie einfach weiter, denn hier gibts noch mehr über Venedig.

Text: Annemarie Heinrichsdobler
Fotos: Edmund Heinrichsdobler, Annemarie Heinrichsdobler

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