In Prag wurde aus dem altehrwürdigen “ Grand Hotel Europa “ am Wenzelsplatz ein modernes “ W „, dem Lifestyle-Brand von “ Marriott „. Eine gelungene Transformation, wie wir feststellen konnte.
Prag wirkt wie ein lebendiges, riesiges Architekturmuseum, in dem es beinahe kaum einen relevanten Stil nicht gibt. Der Gang durch die engen Prager Kopfsteinpflastergassen ist wie ein Gang durch scheinbar frisch renovierte Jahrhunderte und Kulturen, wie ein fröhliches Blättern in literarischen Werken und Kompositionen sowie ein faszinierender Streifzug durch das Lehrbuch der europäischen Baukunst.
Häuser und Paläste, Kirchen und Türme sind die steinernen Zeugen. Die Gebäude, ob bekannt oder unbekannt, geben der Innenstadt einen einzigartigen musealen Charakter, wie man ihn in dieser Dichte – wenngleich ganz anders – allenfalls noch in Venedig spüren kann.
Von allem ein wenig
Die Prager Altstadt wird besonders durch ihre Häuser aus der Zeit der Romanik und Gotik geprägt. Auf der Kleinseite sowie im Burg-Viertel dominieren Renaissance und Barock.
Und auf dem Wenzelsplatz, einem der größten Plätze in Europa, aber nur der zweitgrößte in Prag nach dem Karlsplatz, findet man von fast allem ein wenig und Jugendstil vom feinsten.
Auf der Sonnenseite
Die schönste Jugendstilfassade am Platz hat das altehrwürdige „Grand Hotel Europa“, das seit Ende 2024 zu einem „W“ wurde und damit ein Teil des Lifestyle-Brands von „Marriott“, der größten Hotelgruppe der Welt mit mehr als 1,7 Millionen Zimmern. 161 davon bietet das Prager „W“.
Es liegt mittig auf der Sonnenseite des Wenzelsplatzes auf Hausnummer 25. Die Fassade wurde so detailgetreu renoviert, als wäre man im Jahr 1905, als das Hotel von einem Renaissance-Gebäude (von 1875) auf Jugendstil modernisiert wurde.
Nur das goldene „W“ direkt unter den drei goldenen Damen, die auf dem Dach des Hauses symbolträchtig eine Weltkugel tragen, gab es einst nicht.
Wo Vaclav Havel saß
Auch das Innere wurde bis auf kleinste Details renoviert. „Ich war manchmal zweimal pro Woche beim Amt für Denkmalschutz“, sagt Pavla Doležalová, die verantwortliche Architektin für das Jugendstil-Erbe und Innendesign. „70 % aller Jugendstilelemente im Haus sind original! Wir haben sogar die Tische im Café so gestellt, wie sie früher waren. Dort saß zum Beispiel immer Vaclav Havel …“

Pavla zeigt auf das linke Eck im „Grand Café“, direkt am Fenster. Franz Kafka hielt seine einzige öffentliche Lesung dagegen im Spiegelsaal des Hauses ab.

Die Sitzbezüge der Stühle waren aus Krokodilleder – das hat man natürlich nicht übernommen – und das Grand Hotel war Drehort für „Mission: Impossible“ und „Titanic“.
Der Sozialismus allerdings legte keinen Wert auf Jugendstil und bürgerlichen Lifestyle: Das Hotel verrottete nach 1945 langsam.

Versenkbare Frontfenster
Nun ist es wachgeküsst. Holzvertäfelungen, Marmor und Spiegel, sieben unterschiedliche Lüster- und Lampentypen, die herrliche Empore und im Sommer die schon damals versenkbaren, knapp 10 m² großen Frontfenster zum Wenzelsplatz: Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Der Lifestyle von 1905 geht in den Lifestyle der Gen Y über.
Mit Balkon zum Wenzelsplatz
Hinter der zweitschönsten Jugendstilfassade in Prag – nach dem Repräsentationshaus am Platz der Republik – wartet das „W“ mit modernen, „W“-typischen, aber nicht allzu exzentrischen Zimmern auf, die für ein Fünf-Sterne-Hotel eher klein geraten sind, was besonders für die Badezimmer gilt.
Am schönsten sind die Zimmer im Altbau mit Balkon zum Wenzelsplatz.
Bei den Zimmern im Neubau sollte man sich für die oberen Etagen entscheiden. Ein mit Jugendstil-Lüstern erhellter Gang verbindet den Alt- mit dem Neubau.
Von Kleinod bis Party-Zone
„Bisou“ ist Rückzugsort, die Lobby und Jugendstil-Kleinod in einem. „Le Petit Beefbar at Grand Café“ serviert Steaks vom feinsten, die „W Lounge“ wird schon ab 20 Uhr zur Party-Zone, „Minus One“ im Keller erst später.
Das Spa ist für Prager Verhältnisse sehr ansprechend und hat sogar einen kleinen Pool, was selten genug ist in Tschechiens Hauptstadt.
Auch die weitläufige Dachterrasse ist beeindruckend, doch der schönste Platz ist im „Grand Café“ am Fenster, wo einst Vaclav Havel saß.
Wer dort allerdings auf dem Smartphone ein wenig surfen möchte, muss für das WLAN bezahlen, was sogar für die Hotelgäste gilt. Und das im Jahr 2025: unglaublich, aber wahr …
Info: „W“-Hotel, Vaclavske namesti 25, Prag, DZ ab 350 €
www.marriott.com/en-us/hotels/prgwh-w-prague
Wenn Sie den Spuren Franz Kafkas in seinem Prag folgen wollen, lesen Sie hier einfach weiter.
Text: Jochen Müssig
Fotos: Jochen Müssig